Interview mit Left Boy

Ohne an dieser Stelle längst ausgelutschte Klischees bemühen zu wollen: Ferdinand Sarnitz alias Left Boy wurde zweifellos mit dem sprichwörtlichen goldenen Löffel im Mund geboren. Dass er der Sohn des weltbekannten österreichischen Künstlers André Heller ist, stellt für Left Boy aber keinen Grund dar, sich auf seines Vaters Lorbeeren auszuruhen – mit 18 zieht der Wiener nach New York, um seine finanziellen Vorteile geschickt dafür zu nutzen, sich eine eigene Karriere als Musiker zu erarbeiten. Seit 2010 hat Left Boy komplett in Eigenregie und ohne Plattenvertrag zwei Mixtapes, eine EP sowie eine Reihe von Freetracks und Videos veröffentlicht; „Jack Sparrow“ verschaffte ihm dann 2011 schließlich den Durchbruch. Nach einigen Verzögerungen steht nun sein Major-Debüt in den Startlöchern: „Permanent Midnight“ erscheint am 14. Februar 2014, die umfassende „Permanent Party“-Tour folgt im März. Wir trafen einen trotz anstrengenden Interviewmarathons gesprächsbereiten und sympathischen Left Boy in Berlin, der sich als echter Musiknerd herausstellt und nicht nur über seine eigene Musik mit Leidenschaft spricht – und zwar auf deutsch.

rap.de: Was hat es denn eigentlich mit deinem Namen Left Boy auf sich? 

Left Boy: Ich war früher in einer Gruppe – und dann ist dieser Freund von mir nach Santa Fe, New Mexico zurückgezogen und ich bin sozusagen übriggeblieben, und so hat sich Left Boy ergeben. Das ist auch geblieben, weil es irgendwie passend war, weil ich dadurch, dass ich in Wien allein an meinen Sachen gearbeitet habe, mir alles selbst beigebracht habe – wie ich Beats produziere und aufnehme und Videos schneide und so weiter… Deswegen passt dieser Name eigentlich ganz gut zu mir.

rap.de: Das hast du jetzt schon selber angesprochen, dass du ja wirklich alles selber machst, also komponierst, textest, produzierst und auch Beatboxing machst. Das heißt, du bist so eine Art Allround-Talent und vermutlich auch Perfektionist?

Left Boy: Also für mich sind die Sachen perfekt, für die anderen vielleicht nicht. Ich behalte manchmal bestimmte Fehler in meinen Tracks, wenn ich jetzt zum Beispiel mal nicht perfekt einen Ton treffe oder was auch immer, wenn irgendwas Komisches während der Aufnahme passiert, lasse ich das oft drin, weil ich mir denke, das gibt dem Track etwas mehr Charakter.

rap.de: Wie muss man sich das vorstellen, wie gehst du an die Arbeit heran? Hast du vorher ein komplettes Konzept im Kopf?

Left Boy: Nein. Meine Musik ist für mich wie mein Tagebuch, wenn ich frustriert, böse oder glücklich bin, versuche ich das umzusetzen. Ich fange mit einer Melodie oder einem Sample an, dann mache ich einen Loop mit einem Beat, und gehe im Kreis, um zu sehen, wie das auf mich einwirkt, was für Erinnerungen und Gefühle das erweckt und fange an, an der Strophe zu arbeiten. Ich wiederhole die Zeilen immer wieder und während ich sie wiederhole, ergänze ich sie. Das dauert manchmal Stunden. Bis ich es dann endlich aufnehme, habe ich es so oft wiederholt, dass ich ganz genau weiß, wie ich es sagen will und mit welcher Intonation.

rap.de: Kommt es auch vor, dass du einen Song komplett fertig machst, in wochenlanger Arbeit, und dann hinterher aber sagst, „Nee, gefällt mir doch nicht“ und ihn komplett verwirfst und nochmal neu anfängst?

Left Boy: Also dass mir etwas komplett nicht gefällt, passiert nicht. Meistens ist es so, dass ich nach 15 Minuten oder vielleicht ein paar Stunden sage, „Okay, das geht in keine Richtung, die mich interessiert“.

rap.de: Wie entscheidest du denn, welcher Song für dich Albummaterial ist? Hast du da irgendwelche bestimmten Auswahlkriterien oder ist das Bauchgefühl?

Left Boy: Für dieses Album war mir der Titel bewusst, und es gab eine Grundliste von Tracks, die dafür in Frage gekommen sind. Das war eine bestimmte Stimmung, eine düstere…

rap.de: …was ja schon der Titel suggeriert…

Left Boy: Ja, und da habe ich Tracks zur Seite gelegt, die dazu gepasst haben. Aber das Album erzählt eigentlich die Geschichte von sich selbst, meiner letzten vier Jahre. Meine Entwicklung. „Permanent Midnight“ geht aus der Dunkelheit ins Helle.

rap.de: Obwohl ja die Titel deiner Veröffentlichungen andersherum sind, die EP heißt „Eternal Sunshine“, das Album „Permanent Midnight“.

Left Boy: „Eternal Sunshine“ war eine Notwendigkeit, weil ich so lange nichts veröffentlicht hatte, es besteht auch aus einem Mix aus Liedern der letzten Jahre. Einen Track habe ich von „Permanent Midnight“ auf „Eternal Sunshine“ geschoben, den ich jetzt vielleicht doch wieder aufs Album nehme.

rap.de: Und welcher wäre das?

Left Boy: „Stoned“ ist der Track. Das ist einfach ein wichtiger Track für mich, und den gebe ich vielleicht doch noch aufs Album drauf. Obwohl ich in ein paar Interviews gesagt habe, dass ich das nicht machen würde, dass ich alte Tracks draufgebe. Aber das war eine zu rasche Entscheidung, den runterzunehmen, und dann habe ich mich geärgert.

rap.de: Aber das machen ja andere auch, wie Azealia Banks zum Beispiel, die hat auch auf ihrem Album viele Mixtape-Tracks.

Left Boy: Ja, aber ich gehe alles immer so an wie ein Fan, weißt du? Also ich denke mir: „Was würde ich cool finden, wenn es mein Lieblingskünstler machen würde?“ Und was ich nicht cool finden würde, ist, wenn mein Lieblingskünstler all diese Tracks, die er umsonst veröffentlicht hat, dann auf einmal verkauft. Deswegen wollte ich davon fernbleiben. Aber es ist einfach ein wichtiger Track für die Tracklist, der muss dort zwischen zwei bestimmte Tracks.

rap.de: Was man auch als Fan versteht. Ich finde das vollkommen legitim, wenn es ins Gesamtbild passt.

Left Boy: Ich hoffe, die Leute verstehen’s! (lacht)

rap.de: Fünf Millionen Klicks für „Jack Sparrow“, das ist ja schon beachtlich. Facebook, als ich das letzte Mal heute nachgeguckt habe, 170.000 Likes…

Left Boy: Okay… (lacht)

rap.de: Wie ist das für dich? Ist das surreal, hast du da irgendeine Verbindung zu?

Left Boy: Surreal ist es nicht, weil ich weiß, wie lange es gedauert hat, um zu diesem Punkt zu kommen. Das ist nicht letzte Woche passiert, sondern das hat sich über Jahre hinweg aufgebaut. Es ist schön, dass diese Arbeit sich ausgezahlt hat und ich jetzt den ganzen Tag lang Interviews geben kann, in Europa bei diversen Festivals spiele, meine zweite Tour mache, Videos drehen kann, die mir entsprechen, und die Budgets habe um das alles umzusetzen. Mich freut das, ich bin sehr dankbar dafür.