Kool Savas – Wissen, Flow, Talent

Ihr habt lang genug gewartet, dass ein Interview… nein. So eröffnet man natürlich keinen Artikel über den King of Rap, zumindest nicht, wenn man sich eine gesunde Grundangst vor allzu abgegriffenen Phrasen bewahrt hat. Also nochmal von vorne: Aus Anlass seines neuen Albums "Aura", das am 11. November erscheinen wird, ludt Kool Savas zur Live-Präsentation ins nicht gerade billige Sofitel am Gendarmenmarkt zu Berlin (rap.de berichtete). Die beiden folgenden Tage gewährte er dann dem wissbegierigen Volk Audienz in seiner Suite a.k.a. Hotelzimmer. Dort empfängt uns ein ob der zahlreichen Termine etwas matter, nichtsdestotrotz gut gestimmter Savas, der auf alle Fragen betreffs seines neuen Albums, seiner früheren Karriereabschnitte, seiner ehemaligen und aktuellen Weggefährten sowie einiges weiteres mehr bereitwillig Auskunft erteilte. Und eine hatte sich auf das Gespräch besonders gefreut: rap,de-Praktikantin Ay?e A, der im Verlauf des Interviews die Rolle zukam, auch eine wichtige Frage zu beantworten – doch dazu später mehr. Jetzt heißt es erstmal: Vorhang auf für den immer noch amtierenden King of Rap. Schließlich habt ihr lang genug gewartet, dass… schon gut.

 


rap.de: Das Album beginnt nach dem Intro mit „Und dann kam Essah“, in dem du ein bisschen deine Geschichte erzählst. 

Kool Savas: Ja, genau. Eigentlich die Geschichte, die ja sozusagen schon gegessen ist, das ist der Anfang. So wie bei einer Serie, wo du am Anfang noch mal kurz siehst, was davor passiert ist. So ein kleiner Rückblick wie bei "Breaking Bad“ – was bisher geschah, das ist ungefähr "Und dann kam Essah".

rap.de: Und dann kannst du so richtig einsteigen.

Kool Savas: Ja, dann sind die Fronten geklärt, jetzt wissen alle Bescheid und dann kommt auch direkt "Aura".

rap.de: Über deine Stimme bzw. deine relativ hohe Stimmlage hast du ebenfalls einen Track gemacht. Denkst du, dass dein Organ ein wichtiger Teil deiner Aura ist?

Kool Savas: (grinst) Dazu muss ich ganz kurz die Vorgeschichte erzählen: Wir waren im Tourbus und Franky, der gute Franky Kubrick, der so eine Tendenz hat, viel zu reden, viel und gerne, was jetzt aber nicht negativ gemeint ist. Franky meinte jedenfalls zu mir: Es ist ja schon so, du flowst geil, du hast auch gutes Songwriting und so, aber ich glaube, der Grund, warum  die Leute deine Musik hören, ist nur deine Stimme. Was ist das für ein Unsinn, meinte ich. Da habe ich mich ehrlich gesagt auch ein bisschen darüber aufgeregt, weil ich das bisschen unverschämt fand. Ich meinte auch so zu ihm: Ey, willst du mich verarschen? Ich reiße mir so den Arsch auf, guck mal, was für eine Bühnenshow ich mache, guck mal, wie ich rappe, das kann doch nicht sein, dass du es nur darauf reduzierst. Aber im Endeffekt war es ein guter  Ansatz, um mal darüber nachzudenken. Und dann habe ich tatsächlich darüber nachgedacht und dabei sind mir auch wieder Sachen  eingefallen, die ich so halt ein bisschen… nicht verdrängt habe, aber die für mich nicht mehr so wichtig waren. Natürlich war es auch schön, was über mich selber erzählen zu können, aber in zweiter Hinsicht ist es auch wirklich vielleicht ein bisschen mein pädagogischer Auftrag, den Kids und Jugendlichen zu zeigen, auch, wenn man mit sich unzufrieden ist oder wenn irgendwas ist, was man nicht so geil findet, muss es nicht immer negativ sein. Im Endeffekt ist das so ein bisschen wie: Spiel mit den Karten, die du bekommen hast und gib nicht sofort auf. Manche werden auch genau das Problem haben, bei anderen wird es was anderes sein. Der eine ist ein langer Lulatsch, der andere liest gerne Bücher und der dritte ist ein Streber, aber das ist ja alles nicht schlimm. Es gab doch diese Doku, war das "Bowling for Columbine“? Wo die Macher von South Park saßen und meinten, in der Schule wurden sie immer gehänselt und waren die Opfers, und jetzt machen wir das tausendfache an Kohle wie die ganzen Quarterbacks. Mit ihren Muckis konnten die nicht viel reißen.  

rap.de: Eine vermeintliche Schwäche kann auch eine Stärke werden.

Kool Savas: Kann es definitiv, muss es zwar nicht in jedem Fall, kann auch einfach nur eine Schwäche bleiben. Aber für mich, ich sage das auch in dem Song, brauchte ich halt diesen Impuls von Leuten wie Eazy-E und Adrock, dass ich gesehen habe, krass Alter, die haben auch so ’ne Stimmen, und die reißen damit auch was, also brauche ich meine nicht zu verstellen, ich rappe jetzt einfach mit hoher Stimme, scheiß drauf.

rap.de: Es gab in deinem Schaffen aber auch mal so eine Phase, wo du nicht mehr mit einer so hohen, aggressiven Stimme gerappt hast, diese mittlere Optik-Phase, so zu "One“-Zeiten.

Kool Savas: Das war aber eine Stylesache, da hat sich die Stimme dem Style etwas untergeordnet. Aber stimmt, da habe ich oft ein bisschen geflüstert oder so einen ruhigeren Style gehabt, da habe ich mich einfach ausprobiert. Da habe ich auch das erste Mal gesunge Hooks gebracht und wollte einfach was anderes ausprobieren. Denn andere können sich es ja aussuchen, ob sie die Mucke hören oder nicht, aber ich muss immer wieder meine Musik produzieren und hören. Damals hatte ich locker schon ein paar hundert Songs gemacht und meine eigene Stimme ein paar hundert Mal gehört. Irgendwann will man auch mal switchen und was anderes machen, was anderes ausprobieren. Klar, es kann auch in die Hose gehen, aber in dem Zusammenhang war es tatsächlich so, dass sie dann ein bischen tiefer war, aber nicht, weil sie mir nicht mehr gefiel, sondern weil ich diesen Style zu dem jeweiligen zeitpunkt wollte. Inzwischen, du hörst es ja, rappe ich aber eigentlich wieder ziemlich aggressiv. 

rap.de: Das Album scheint mir sowieso dein freiestes bis jetzt zu sein

Kool Savas: Wirklich? Inwiefern?

rap.de: Weil es einfach das Vielseitigste ist. 

Kool Savas: Ey, ich dachte z.B., dass "John Bello 3“ übertrieben vielseitig wäre, und bei dem war ich so: Oh, das hat keinen roten Faden, das ist voll drunter und drüber. Das merke ich auch daran, dass ich viele Songs von "Bello 3“ live spielen kann, weil die Sachen so unterschiedlich sind. Ich weiß natürlich nicht, wie es für andere rüberkommt, aber bei “Aura“ hatte ich das Gefühl, dass es eigentlich mein depressivstes Album ist. Wenn ich das als eine Farbe beschreiben müsste, würde ich sagen, das ist wie dieses Banner (zeigt auf ein schwarzes Banner), eher düster und traurig. Vielleicht, weil ich es in einer Phase aufgenommen habe, wo ich selber ein bischen düster und traurig war, ich bin mir nicht sicher, aber mir kam's gar nicht so vielseitig und frei vor.