Fard & Snaga – Talion 2: La Rabia (Review)

Über Fard und Snagas Album wurde bereits nach dem Release des Intros „Contraband“ heiß diskutiert. Auch der Verfasser dieser Zeilen äußerte sich sehr kritisch zu den plakativen amerika- und israelfeindlichen Zeilen, die in Verbindung mit martialischen Bildern und Slogans wie „Pro Mudschaheddin“ oder „Contra Peace“ daherkamen. Inzwischen ist ein wenig Zeit vergangen, der Nebel hat sich etwas gelichtet, und was zunächst stark nach Antisemitismus roch, erweist sich bei genauerem Hinsehen vor allem als gezielte Provokation, die Aufmerksamkeit erregen sollte – ob nun für die angerissenen Themen oder das Album, sei dahingestellt. Freilich passen die Feindbilder der beiden, die auch auf anderen Songs von „Talion 2“ immer wieder auftauchen, recht gut ins Schema einer etwas diffusen Szene zwischen Friedensmahnwachen und Ken Jebsen, die neben einigen vernünftigen, selbtkritischen Menschen bekanntlich auch eine Menge Spinner rechter Couleur, Verschwörungstheoretiker und Esoteriker anzieht.

Dies alles hinterlässt beim Autoren dieser Review einen leicht faden Beigeschmack, glaubt er doch nicht an einfache Erklärungen komplexer Probleme. Es ist eine grundsätzliche Frage, ob eine derart zugespitzte Textform wie Rap überhaupt geeignet ist, sich mit einem vielschichtigen Thema wie Politik angemessen auseinanderzusetzen. „Talion 2„, und damit ist die Einleitung aber auch mal beendet, will dies auch gar nicht. Zum Großteil haben wir es mit einem Straßenrap-Album der ausgereiften Sorte zu tun. Und wie auf der vielbeschworenen Straße oder in der sogenannten Unterschicht üblich, ist Politik etwas, was vor allem Ekel und Misstrauen auslöst. Komplizierte Analysen werden hier nicht angestellt. Das Gefühl „Wir gegen die da oben“ ist vorherrschend.

Hinter den aggressiven Kampfansagen von Fard und Snaga steckt auch eine sich ausbreitende Ablehnung des gesellschaftlichen Konsens, ein infrage Stellen vermeintlicher Dogmen, ein lustvolles, bewusstes Überschreiten von als Tabu empfundenen Grenzen, bestes Beispiel: Israelkritik. Zuverlässig ruft diese Eiferer beider Seiten auf den Plan, die die jeweils andere Seite der Einseitigkeit bezichtigen und doch selbst genau das sind, nämlich einseitig. Geschenkt. „Talion 2“ ist Rap, der dem sprichwörtlichen kleinen Mann (und seiner vermutlich ebenso kleinen Frau) aus dem Block eine Stimme geben will. Und das gelingt Fard und Snaga zweifelsohne hervorragend. Denn während in Redaktionsstuben und (halb)gebildeten Kreisen schnell mit Naserümpfen auf kontroverse, zum Teil undifferenzierte Aussagen reagiert wird, fühlen sich gerade jüngere Rapfans mit Straßenbezug von solchen emotionalen Versen angesprochen. Hier formuliert jemand die unbestimmte Wut, die sie mit sich herumtragen, in Worte, benennt klare Feinde, schafft eindeutige Fronten.

In meiner Welt bringt dich Blaulicht zum Kotzen
Eintausend Gegner, eintausend Fotzen
Eintausend Feinde, ein Dutzend Freunde
Dreh‘ den Sound auf für ein‘ Tanz mit dem Teufel„,

rappt Snaga auf „Rapmilitär„. Klar: Wenn man mit den Taschen voller Packs herumläuft, interessiert es einen einen Scheiß, ob eine Polizei nicht die bessere Alternative zum Faustrecht ist. Sie ist der Feind. Punkt.

Talion 2“ ist voll mit solchen Songs. Der beherrschende Faktor ist, passend zum Untertitel „La Rabia„, die Wut. Dabei wird allerdings auch immer wieder auf die Sinnlosigkeit hingewiesen, die der allgegenwärtige Rachedurst letztlich zur Folge hat. Etwa, wenn Snaga auf „Gesetz der Rache“ rappt:

Entführt, und bald tot um als Zeichen zu gelten
Denn sie wollen Gleiches mit Gleichem vergelten
Auge um Auge und Zahn um Zahn
Friedhöfe anstatt Frieden sind des Teufels Plan
Vergiftete Herzen seit über 1000 Jahren
Im Krieg zwischen Juden und Christen und dem Islam

Immer wieder setzen Snaga und Fard so ihren plakativen Parolen die nachdenklichere Sichtweise gegenüber, erinnern daran, dass das Böse in uns allen steckt, nicht nur in einer bestimmten Gruppe von Menschen. Diese Ausgewogenheit macht „Talion 2“ letztlich zu seinem starken Stück Straßenrap, auf dem nicht jede Aussage bis ins letzte durchdacht sein mag, das aber gerade deshalb durch rohe Authentizität glänzt. Die titelgebende Wut der beiden Protagonisten ist in jeder Zeile zu spüren – dass das hier und da auf Kosten der Differenzierung geht, ist absolut logisch. „Talion 2“ ist das „Bengalische Tiger“ für die Straße: Ein Kommentar zur aktuellen weltweiten politischen Situation, der das Herz dem Verstand im Zweifelsfall vorzieht.

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